In den letzten Jahren hatte ich immer
öfter Hochzeiten im Freundeskreis zu filmen. Bei diesen Hochzeiten
bekommt man natĂĽrlich auch die Fotos zu sehen. Bei der letzten
familiären Fotovorführung sagte meine Oma etwas, das mich stutzig
machte. Sie hatte gerade das Gruppenfoto in der Hand und meinte: „Ich
weiĂź nicht wieso sie das in letzter Zeit machen. Ist das notwendig?“
Aus lauter Neugierde habe ich noch einmal nachgefragt. Ja, es ging um
das Gruppenfoto. Anscheinend war das zu Zeiten meiner Oma noch nicht
so ĂĽblich. Das war 1951. Ich habe sogar bis heute noch kein
Gruppenfoto der Hochzeit meiner Eltern gesehen. Obwohl ich sicher
bereits alle Familienfotos gesehen habe. Es gibt zwar Fotos vom
Brautpaar mit den geladenen Familien. Aber ein einziges Foto mit
allen Gästen gibt es nicht. Heutzutage ist das jedoch gang und Gäbe.
Ein Gruppenfoto mit allen Hochzeitsgästen muss sein, egal wie groß
die Gesellschaft ist.
Sogar egal wie hungrig die Gäste nach der
Trauung bereits sind. Ein groĂźes Gruppenfoto muss stattfinden. Auch
wenn es manchmal richtig schwierig ist, alle schön aufzustellen und
dafĂĽr zu sorgen, dass sich keiner im Hintergrund versteckt. Bei knapp 100 Personen lachen nicht unbedingt alle gleichzeitig in die Kamera. Das bedarf eines groĂźen Aufwands. Ein
ĂĽbliches Prozedere bei jeder Hochzeit. Ich habe es nie
hinterfragt.
Aus der Sicht eines Fotografen
Doch eines Tages sagte während dem
Prozedere ein Fotograf zu mir: „Eigentlich ist so ein groĂźes
Gruppenfoto unnötig.“ Der Fotograf hatte selbst bereits seine
Hochzeit hinter sich, samt riesigem Gruppenfoto. Daher wĂĽsste er
jetzt, dass es unsinnig ist, so ein Foto zu machen. Bei vielen
Gästen erkennt man auf dem Foto sowieso niemanden. Dann
überlegt man und geht alle geladenen Gäste durch, bis man darauf
kommt, dass man Jahre nach der Hochzeit mit der Hälfte der Gäste
gar nicht mehr in Kontakt steht. Denn auf dem groĂźen Gruppenfoto
befinden sich auch Begleitpersonen die wohl nicht wirklich Teil der
Familie waren. Oder Arbeitskollegen mit denen man längst nicht mehr
zusammen arbeitet. Bis hin zur Cousine 3. Grades, die eingeladen war, damit ja kein
Verwandter beleidigt ist.
Also sind nach ein paar Jahren viele
Personen auf dem Gruppenfoto Fremde. Daher meinte der Fotograf
rĂĽckblickend wĂĽrde er sich den Stress eines groĂźen Gruppenfotos
nicht mehr antun.
Aus der Sicht einer Hochzeitsfilmerin
Ich hingegen muss ehrlich sagen, ich
liebe groĂźe Gruppenfotos. Sie sind die Fotos, bei denen man sich
auch etwas spielen kann. So gibt es mittlerweile etliche Formationen.
Von Ringen, Buchstaben, Herzen etc. große Gruppen kann man schön
aufstellen. Klar, es benötigt Zeit, Geduld und gute Anweisungen.
Doch wenn das alles zusammen kommt hat man ein wirklich tolles Foto,
bei dem es mehr um das Motiv als um die Gesichter geht. Denn diese
sind bei groĂźen Gruppenfotos oft kleiner als ein Stecknadelkopf.
Beim groĂźen Gruppenfoto geht es um
eine bunte, fröhliche Truppe die gemeinsam gefeiert hat.
Egal wer
dabei war, es bringt die Stimmung einer groĂźen Gesellschaft rĂĽber.
Und wer trotzdem wissen will, welcher Gast sich wo im Bild befindet,
tja, der sollte mich zum Filmen einladen. Denn während der
Aufstellung zum Foto nehme ich mir die Zeit, die Gäste einzeln in einem
schönen Schwenk abzufilmen. So kann das Brautpaar später beim Video
sagen: Ah Schau, der Karl Onkel ist da ganz hinten gestanden und wer
ist noch schnell einmal die da vorne im blauen Kleid? Wenn dann der
Fotograf auch noch die Anweisung gibt, dass sich das Brautpaar
küsst, während die Menge drumherum jubelt ist das in Bewegtbild und
Ton eine ganz besondere Aufnahme die in jedes Best of gehört. Also
werde ich als Hochzeitsfilmerin auch weiterhin am Gruppenfoto
festhalten. Denn ein Video ist doch mehr als ein Foto, weshalb ich
aus einem Gruppenfoto mehr machen kann, als einen Abzug mit sehr
vielen Menschen in Flohgröße.