Der einsame Hochzeitsauszug - weshalb ich das Spalier in der Kirche vermisse
Ich muss ganz ehrlich sagen, es hat
sich einiges verändert, seit meinen Anfängen als Hochzeitsfilmerin.
So auch die Gratulationen.
Als ich angefangen habe, war es
logisch, dass sich das Brautpaar in den Altarraum an die Seite
stellte. Die Gratulanten gingen hinter dem Hochaltar durch und
gratulierten dem Brautpaar. Die geladenen Gäste bildeten darauf hin
ein Spalier im Kirchengang, durch das das Brautpaar nach den
Gratulationen auszog. Darüber musste nicht lange nachgedacht werden.
So war der Brauch in Niederösterreich. Egal ob im Norden, im Süden
oder mittendrin. Jeder Hochzeitsgast wusste, dass das der Abschluss
einer kirchlichen Trauung ist.
Seit ungefähr drei Jahren jedoch, muss ich bei der Vorbesprechung nachfragen, wie die Gratulationen und der Auszug geplant sind. Nur ein einziges Brautpaar der letzten drei Jahre hielt sich an das traditionelle Prozedere. Bei den restlichen Hochzeiten ging keine Gratulantenschar mehr hinter dem Hochaltar durch. Vielleicht haben das einfach die Messnerinnen abgeschafft.
Bei einer Vorbesprechung jammerte die
Messnerin sogar darüber, dass sie erst hinter dem Hochaltar zusammen
räumen muss. Mich wundert das nicht. Ich war schon oft hinter einem
Hochaltar. Man kann es sich wie eine Mischung aus Werkstatt und
Abstellkammer vorstellen. Ob Putzmittel, leere Blumentöpfe,
Farbeimer oder Bohrmaschinen. All das habe ich dahinter schon
gefunden. Dazu kommen abblätternde Mauern, Spinnen und knarrende
Holzböden. Da kommt viel Arbeit auf die Messnerin zu, um diesen
schmalen Durchgang aufzuräumen. Deswegen würde es mich wirklich
nicht wundern, wenn die fleißigen Damen die klassischen
Gratulationen abgeschafft haben.
Eine Eigenschaft der Gratulationen blieb aber über all die Jahre gleich. Die geladenen Gäste gratulieren meistens in der Kirche. Nur nicht mehr im Altarraum. Nach dem Schlusslied dreht sich das Brautpaar einfach um. Ein paar fleißige Helfer räumen die Trauungsbank zur Seite. Schon können die Gratulationen beginnen. Der Vorteil ist, dass kein Hochzeitsgast mehr die Treppen zum Altarraum und den schmalen Durchgang hinter dem Hochaltar bewältigen muss. Die Gratulationen wurden in den letzten Jahren also barrierefrei.
Die Trennung von Gästen und
Brautschauern funktioniert aber kaum. Je nach Wetterlage gratulieren
auch viele Brautschauer drinnen. Denn alte Menschen bleiben lieber in
der kühlen Kirche anstatt im gleißenden Sonnenschein Schlange zu
stehen. Außerdem kann man sich in der Kirche zwischendurch bequem
niedersetzen, falls das Stehen bereits Probleme machen. Bei Regen
bleibt sowieso jeder Gratulant in der Kirche. Regnet es nicht,
verlassen alle die bereits gratuliert haben, die Kirche um sich eine
kleine Stärkung bei der Agape zu gönnen. Jene, die auf den Auszug
warten müssen, bilden meist eine Traube beim Kirchentor, die
Smartphones und Kameras bereits gezückt. Sie freuen sich dann immer
ganz besonders, wenn ich endlich aus der Kirche kommen. Denn das
bedeutet, das Brautpaar kommt ebenfalls gleich. Das stimmt.
Wieso ich den Auszug draußen filme und nicht in der Kirche? Ganz einfach, weil es drinnen nichts zu sehen gibt. Die geschmückte Kirche und das Kirchenschiff habe ich bereits während der Trauung gefilmt. Der Auszug nach den Gratulationen bedeutet immer, dass das Brautpaar alleine, höchstens begleitet von den Kranzldamen aus einer leeren Kirche geht. Bis zum Kirchentor ergibt das eher ein trauriges Bild. Keine Auszugsmusik, kein Applaus, keine „Paparazzi“, keine Blumen, Seifenblasen etc. Das erwartet das Brautpaar alles erst außerhalb der Kirche.
Die leere Kirche kann man mögen oder
nicht. Ich mag es nicht. Es hat einen komischen Beigeschmack. Neulich
meinte ein Brautschauer, es sei sogar richtig traurig, wenn das
Brautpaar alleine aus der Kirche auszieht. Ich kann allerdings
verstehen, wenn es Brautpaare ganz anders sehen. Denn diese leere
Kirche ist einer der wenigen Momente am Tag der Hochzeit, an dem das
Brautpaar kurz durchschnaufen kann. Einen Moment für sich hat, sowie
ein letztes Mal Ruhe, bevor vor der Kirche die Gratulanten und ersten
Hochzeitsspiele warten.
Heuer durfte ich ein Brautpaar begleiten, das hat sich die Zeit in der Kirche bewusst genommen. Was ich davor auch noch nie erlebt habe. Die Brautschauer draußen wurden sogar komplett unruhig, weil das Brautpaar so lange nicht aus der Kirche kam. Aber im Endeffekt sollte die Hochzeit so sein, wie sie sich das Brautpaar wünscht. Wenn dazu eine Auszeit in der Kirche gehört, wieso nicht.
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